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Vision und Erfahrungen in Äthiopien (2003)

In den Nachrichten habt Ihr sicher gehört, dass Äthiopien von einer Hungersnot heimgesucht wird, die beschrieben wird, dass sie „katastrophale Ausmaße“ hat. Im Herbst waren sechs Millionen Menschen unmittelbar betroffen und mussten mit Nahrungsmitteln versorgt werden. Ohne internationale Unterstützung stünden Anfang 2003 bis zu 15 Mio. Menschen in akuter Gefahr zu verhungern.

In den 80er Jahren mit dem Terror und der Tyrannei eines kommunistischen Regimes endete eine furchtbare Hungersnot mit dem Tod von mehr als 1 Mio. Menschen. Zu der Zeit war ich beteiligt an Hilfsaktionen, die auch eine erstaunliche Erfahrung beim Fliegen mit der RAF (Royal Air Force) bei ihren „Barmherzigkeitsflügen“ einschloss. Von einem Herkules-Transporter aus wurden Säcke mit Weizen vom Himmel über einem bestimmten Gebiet abgeworfen. Die Menschengruppen warteten ängstlich am Boden und betrachteten diese Sendungen als „Brot vom Himmel“.

Heute ist die Situation wirklich verheerend, wie ich aus Bildern, Berichten und meinen eigenen Beobachtungen erkennen konnte. Die Felder sind verödet, weil es keine Ernte gab. Wegen des ausbleibenden Regens sind Brunnen, Quellen und Flüsse vollkommen ausgetrocknet. Staubwolken schweben zwischen den Häusern in den Dörfern. Ein dort wohnender Bauer sagte mit einem Seufzer der Verzweiflung: „Solch eine Trockenheit haben wir seit Menschengedenken nicht erlebt.“ Dann schrie eine Mutter mit hungrigen Kindern ärgerlich: „Alles, was wir gepflanzt haben, ist verloren. All unsere Tiere sind tot. Wie sollen wir überleben?“ In den Gesundheitszentren unternehmen die Ärzte und Schwestern alles, um die Patienten, speziell die Kinder zu behandeln, die an Unterernährung oder Krankheiten leiden. Medikamentenvorräte und die Versorgung mit Nahrung sind sehr begrenzt.

Kürzlich wurde die Frage gestellt nach den Ursachen dieser schrecklichen Hungersnot. Globale Klimaveränderungen haben ihre Auswirkungen auf das Ausbleiben des Regens. Die allmähliche Rodung von Bäumen zu Bauzwecken oder als Brennstoff hat die Erosion des Bodens hervorgebracht. Es gibt auch kein ausreichendes Bewässerungssystem, das die bestehenden Wasservorräte bevorraten und verteilen könnte. Landwirtschaftliche Methoden sind nicht verändert oder entwickelt worden. Indirekt könnte diese Hungersnot uns auch hier in Großbritannien und Amerika berühren. Durch die ständige Anwendung von künstlichem Dünger und chemischen Pestiziden produzieren die Getreidekörner nicht mehr die erforderliche Ernte. Äthiopien hat eine enorme Artenvielfalt an Weizen, Gerste, Hafer und Mais. Die Wissenschaftler an der Gen-Bank in Addis-Abeba arbeiten an der Bereitstellung von gesunden, starken Genen für den Export. In Folge dessen gibt es eine starke Immunität gegen Krankheit und eine gute Ernte. Wenn diese Quelle sich vermindert, wird das vermutlich bedeuten, dass Brot und andere Produkte teurer werden. Die Regierungen von Großbritannien, der EU und den USA haben großzügige Unterstützung für diese Notsituation zugesichert.

Im Herbst reagierte Israel mit der Entsendung einer hochrangigen Delegation nach Äthiopien. Ein spezielles Seminar wurde gehalten; zu meiner Überraschung wurde ich als einer der Teilnehmer eingeladen. Die Landwirtschaftsminister der beiden Länder unterstrichen die schon in der Bibel erwähnte Verbundenheit, die mit der Begegnung zwischen König Salomo und der Königin von Sheba in Jerusalem begann und sich bis in die Gegenwart fortgesetzt hat. Israel ist bereit zur Unterstützung und Zusammenarbeit seitens seiner Fachleute auf den Gebieten der Kultivierung, Bewässerung und Aufforstung um in der Zukunft weiteren Nöten vorzubeugen.

Gelegenheit und Widerstand

Auf einer Reise mit Elly und unseren Freunden von Guernsey und Devon, begleitet von Mezmur, hatten wir eine Begegnung mit Beharu in der sehr alten Stadt Axum. Dies ist eine bemerkenswerte Geschichte. Als die Kommunisten an der Macht waren, floh er und wurde Flüchtling im Sudan. Er konnte sich eine Arbeit in Saudi Arabien besorgen, wo er in Kontakt kam mit Christen aus Äthiopien und Eritrea. In geheimer Absprache mit einem Geschäftsmann wurden 5000 Bibelexemplare in amharischer Sprache gedruckt zu einem sehr hohen Preis. Die Verbreitung geschah in den Untergrundgemeinschaften, wo selbst Menschen islamischen Glaubens erkannten, dass Jesus Christus der Sohn Gottes und der Retter der Welt ist. Im Geheimen fanden mitten in der Nacht Taufen statt in Badezimmern und Duschen. Das Praktizieren des Glaubens bedeutete eine große Gefahr. Die Polizei wurde aufmerksam auf ihre Aktivitäten, und im Juli 2001 wurden zehn der Leiter einschließlich Beharu plötzlich festgenommen und verhaftet ohne ein Gerichtsurteil. Sie wurden in Einzelhaft untergebracht. Es gab Folter verschiedenen Grades – Entzug von Nahrung und Flüssigkeit, Unterbrechung des Schlafes und Teile ihrer Körper wurden geschlagen mit Eisenstäben. Der Schmerz war so schlimm, dass sie ohnmächtig wurden. Die Einstellung der Wächter würde sich vollkommen ändern bis hin zu der Aussicht auf Freiheit und Wohlergehen, wenn sie ihrer Verbindung zum Herrn absagen und zum Islam übertreten würden. Trotz ihrer Not und der Erwartung weiterer Qualen verleugnete niemand von ihnen seinen Glauben. Durch Gebet und internationalen Druck wurden sie freigelassen und des Landes verwiesen. Als Beharu dieses bewegende Zeugnis gab, spürte man an ihm nichts von Bitterkeit oder Rachegefühlen. Vielmehr betete er für die, die für seine Folter die Verantwortung hatten – „Vater, vergib ihnen“. Seine liebe Frau, die kurz vor seiner Verhaftung schwanger geworden war und dachte, sie würde ihren Mann nie wiedersehen, brachte einen wunderschönen Jungen zur Welt. Sie nannten ihn Obed – das war der Großvater von König David. Es ist äthiopische Tradition, den Kindern Namen aus der Bibel zu geben. Seitdem hat sich Beharu erholt von seinen Wunden und inneren Blutungen. Er wartet weiterhin auf den Herrn um Wegweisung für seinen Dienst. Während des Sommers wurden zehn weitere Äthiopier wegen ihres Zeugnisses gefangen gehalten. Glücklicherweise wurden sie drei Monate später freigesetzt. Die Verfolgung in ganz vielen Nationen nimmt zu.

Ernte der Hoffnung

Mit Freunden aus Deutschland reisten wir durch das Rift-Tal zur Bibelschule in der Nähe von Awasa. Dort war eine Konferenz organisiert worden für ungefähr 200 Gemeindeleiter. In den Bibelarbeiten ging es um das Johannes-Evangelium – die Erfahrung der Gegenwart und Kraft Jesu heute. Zu den Abendgottesdiensten kamen ungefähr 500 Leute, Männer, Frauen und Kinder. Ich erinnere mich noch ganz lebhaft an eine Situation, als mein Thema die Bestimmung Äthiopiens war, und eine Taube erschien, die während der ganzen Zeit der Versammlung auf einem der Dachbalken sitzen blieb. Darin sahen viele ein Zeichen für Gottes Segen. Mehr als 55 neue Gemeinden sind in diesem Gebiet entstanden. Inmitten von heidnischen Traditionen, dämonischen Mächten und dem Einfluss des Islam hat das Evangelium ihre Herzen und ihr Leben berührt. Wir reisten in die Berge, wo wir an den Abenden und am Tag Dienst hatten. Hauptsächlich junge Leute kamen von nah und fern. Der Chor in wunderschön bunter Kleidung sang voll Freude. Die Ehrfurcht in ihren Anbetungszeiten, die Aufmerksamkeit gegenüber der gegebenen Botschaft und die Antwort auf das Wort Gottes waren beeindruckend. Die Kinder saßen stundenlang still im Gras mit großer Aufmerksamkeit ohne zu stören. Schriftmaterial in des Sidamo-Sprache wurde verteilt und mit Freude in Empfang genommen.

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Mit meinem treuen Gefährten Tadesse, der genauso engagiert ist wie Epaphroditus, der Begleiter des Apostels Paulus, hatten wir evangelistische Einsätze unter dem Oromo-Volk. In einer der neuen Gemeinden ist kürzlich eine Grundschule eröffnet worden. In der Woche wird dort Unterricht gehalten für 220 Kinder aus orthodoxem, evangelikalem und auch moslemischem Hintergrund, wobei auch Gebet und das Wort Gottes eingeschlossen sind. Die Eltern sind äußerst interessiert an dieser christlichen Bildung für ihre Kinder. Die Klassen sind in voller Kapazität ausgelastet. Disziplin wird ohne Schwierigkeiten eingehalten, da sie ein wirkliches Verlangen haben zu lernen. Es war nötig, Tafeln und Kreide, Übungshefte und Stifte zu besorgen. Und natürlich mussten wir auch Holzbänke kaufen. An Sonnabenden und Sonntagen kommen ungefähr 70 Jungen und Mädchen, um Lieder zu singen, biblische Geschichten zu hören und passende Bibelverse auswendig zu lernen. Es war ergreifend, all dies zu sehen. Es gibt Pläne, noch weitere neue Schulen zu beginnen, die einen wirklichen Einfluss auf die junge Generation, ihre Familien und ihre Orte haben. Mit großer Resonanz habe ich gepredigt über „Samuel – der Junge, der eine Nation rettete“. Charles Spurgeon vertraute sich der Rettung Christi in einer einfachen Methodisten Kirche in der Nähe von Colchester an, als er 12 Jahre alt war. In ganz jungem Alter hat David Livingstone bei einem Missionars-Gottesdienst in Blantyre Scotland sein Leben dem Dienst des Herrn geweiht. Seine Ziele in Afrika waren Evangelisation der Eingeborenen, Freiheit der Sklaven und grenzüberschreitende Erforschung. Billy Graham war noch Jugendlicher in South Carolina USA, als er die Gnade Gottes erlebte und seine Entscheidung für Zeit und Ewigkeit fällte.

Rückkehr des Restes

Es gibt aufregend neue Entwicklungen und Fortschritte bezüglich des Überrestes der Jüdischen Gemeinschaft von vermutlich 25.000 in den Bergen von Gondar und in der Hauptstadt Addis Abeba. Faszinierende Artikel sind erschienen in der Zeitung „London Jewish News“ und auch in der „Jerusalem Post“ mit dramatischen Überschriften – „Israel muss die vergessenen Äthiopier willkommen heißen“ und „Bringt das äthiopische Judentum jetzt nach Hause“. In Amerika gibt es Druck, jetzt zu handeln, sowohl von Seiten der Reformjuden als auch der Konservativen Juden. In Israel haben die Äthiopier friedliche Demonstrationen organisiert für die Wiedervereinigung von Familien. Der Innenminister hat sein Eingreifen angekündigt und ihre Situation als eine Entscheidung auf Leben oder Tod beschrieben. Der Premierminister Ariel Sharon hat öffentlich bekannt gegeben, dass Vorbereitungen getroffen werden sollten für ihre friedliche Rückkehr in das Land Israel. Die Falasha Mura, wie sie genannt werden, gelten als Nachkommen von Juden, die vor mehreren Generationen zum Christentum übergetreten sind. Sowohl sie selbst als auch ihre Nachbarn haben sie stets als zugehörig zum Haus Israel empfunden. Tatsächlich haben sie ihre jüdischen Gebräuche praktiziert und auf die Erlösung gewartet. Das „Beit Shalom“ Projekt hat sich als ein Ort der Zuflucht und eine Tür der Hoffnung für ca. 2.500 Glieder des auserwählten Volkes erwiesen, indem es ihnen Anteilnahme zeigte im Namen des Herrn. Mit Vorsicht und Diskretion wurde regelmäßige Unterstützung gewährt für ihre Unterkunft, mit Weizen, Medikamenten und Hilfe in speziellen Nöten. Seit der Operation Moses im Jahr 1985 und der Operation Salomo 1991 haben sie gewartet, geträumt und gebetet, dass das Wunder des Auszugs sich fortsetzen möge. In Zusammenhang mit diesen gegenwärtigen Ereignissen hat Jesaja vorausgesagt in Kap. 14,1 – „Denn der Herr wird barmherzig sein mit Jakob und wird Israel erwählen, und wird sie in ihr eigenes Land bringen“. Und dann hat Jeremia verkündet in Kap. 50,4+5 – „In jenen Tagen und zu jener Zeit, sagt der Herr, werden die Kinder Israel kommen, sie und die Kinder Juda zusammen werden gehen, weinen und den Herrn, ihren Gott suchen. Sie werden fragen nach dem Weg nach Zion und ihr Angesicht dorthin richten und sagen – Kommt, lasst uns mit dem Herrn uns verbinden durch einen ewigen Bund“. Seit Generationen haben sie gebetet: „Der Hungrige geht zum Brot, der Durstige geht zum Wasser, ich aber gehe nach Jerusalem“.

Loben – Beten – Mitteilen

Die Hungersnot – dass internationale Spender die nötige Lebensmittelhilfe großzügig und rechtzeitig übersenden; auch dass die Unterstützung an die richtigen Stellen gelangt ohne Verzug; dass Regen fällt und die Flüsse sich wieder füllen; dass Israels Zusammenarbeit mit Agrartechnologie eine echte Hilfe bringt für die Zukunft.

Beharu und seine Familie – Bewahrung und Wegweisung vom Herrn; für die Christen, die im Sudan und in Saudi Arabien ihren Glauben bezeugen und dafür leiden. Die Antwort auf die Gute Nachricht unter dem Sidamo- und Oromo-Volk; für die neuen Möglichkeiten mit den Kindern in den Schulen.

Das „Beit Shalom“ Projekt in Addis Abeba und Gondar – die Vorbereitung auf den Auszug über das Rote Meer; dass die Rückkehr in das Land von der Erlösung durch den Messias begleitet sein möge.

Christliche Literatur-Projekte – Für die Verbreitung des Buches „Die Revolution der Liebe“ von George Verwer; zukünftige Veröffentlichungen werden seine Bücher „Hunger nach Realität“ und „Kein Zurück“ sein und auch „Die Golgatha-Straße“ von Roy Hession.

Für meinen guten Freund und Mitarbeiter, der hier auf den Bergen rings um Addis Abeba steht – Mezmur und sein Dienst in „Beit Shalom“ und den Gemeinden; Tadesse, der im Dienst persönlicher Evangelisation und Bibelverbreitung steht; Daniel, der Direktor der Christlichen Gefängnisarbeit in Äthiopien.

Bei Sonnenaufgang in Axum, während meiner Betrachtungen in dem lebendigen Wort kamen zwei Jungen vorsichtig näher und erkundigten sich höflich, was ich mache. Als ich es ihnen erklärte, knieten sie sich nieder zu meinen Füßen und sagten: „Segne uns, o mein Vater, in dem Namen des Herrn“. Ich antwortete, indem ich ihnen die Hände auflegte. Sie sind beide Messdiener in der Orthodoxen Kirche. Der eine, der einen Stock hatte, ist blind und sein Name ist Redaye, was „Mein Helfer ist der Herr“ bedeutet; sein Freund in der weißen Kleidung ist Gebre Egzabher – „Der Diener Gottes“; könnt ihr für sie beten, dass sie wie Samuel in der Bibel aufwachsen mögen, den Herrn zu kennen und ihm zu dienen.

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Vielen Dank für eure Ermutigung in Gebet und praktischer Hilfe.
Schalom und Grüße in Christus, der bald kommen wird.

Gerald und Elly Gotzen,
9 First Avenue,  Torquay,  Devon  TQ1 4JB,  England
E-Mail:   horizon-admas@talk21.com
Website:   www.ethiopian-horizons.org.uk